Ratschläge für Musiker

1. Komme möglichst spät in die Musikprobe, du fällst dann recht angenehm auf. Der Kapellmeister freut sich, daß du doch noch gekommen bist. Er klopft gern ab, lässt die Plätze wechseln, damit auch du einen Platz erhältst und er wartet geduldig, bis du möglichst umständlich deinen Notenständer aufgestellt, die Noten gesucht und deine Privatgespräche beendet hast.
 
2. Solltest du ein Handy haben, schalte es während der Probe auf keinen Fall aus, denn ein Anruf während der Probe bestätigt die Wichtigkeit deiner Person und die Funktion der Mobilbox ist ja nur für zuhause, wenn "DU" nicht gestört werden willst.
 
3. Sollte dein Instrument einen Defekt haben, dann repariere den Fehler nicht etwa zuhause, sondern während der Probe. So erhältst du diverse gute Ratschläge kostenlos und die Kollegen warten gern.
 
4. Gibt der Dirigent das Zeichen zum Beginn, so geht dich das nichts an, sondern blase einige Tonleitern und Kadenzen. Der Kapellmeister kann warten, du hast dich ja auch gedulden müssen, bis er so gnädig war.
 
6. Klopft der Kapellmeister bei einer schlechtklingenden Stelle ab, so spiele noch wenigstens 10 Takte weiter, du kannst dich bei dieser Gelegenheit als Solist hören lassen und der Kapellmeister wird dir eine Anerkennung nicht versagen können.
 
7. Gibt der Dirigent seine Erklärungen, so höre nicht auf diesen Quatsch. Wenn du während dieser Zeit eine heikle Stelle übst oder dich mit deinem Nachbar unterhältst, dann hast du die Zeit entschieden besser genutzt. Was kann dir schon ein Dirigent Neues erzählen.
 
8. Die dynamischen Zeichen sind höchst überflüssige Dinge. Blase hurtig drauf los, der Komponist würde sich ehrlich freuen, wenn er dich und deine hochmusikaIische Auffassung bewundern könnte.
 
9. Nimmst du die Noten mit nachhause, dann nicht etwa zu dem Zweck, um in einer freien Stunde zu üben, sondern um die Noten durch Zusammenfalten brauchbarer zu machen. Kommt eine Stimme in Verlust, so ist das kein Schaden, der Kapellmeister fühlt sich hoch geehrt, wenn er dir eine neue Stimme schreiben darf.
 
10. Ein geborgtes Instrument hat große Vorteile: Du brauchst nicht so sorgfältig damit umzugehen, es gehört ja nicht dir! Nach mehrmaliger Aufforderung gibst du es dann endlich mit Dank und etlichen Beulen zurück. Der Eigentümer leiht es dir gern wieder.
 
11. Solltest du einmal etwas von Vereinsdisziplin hören, dann protestiere energisch. Vom Barras willst du nichts mehr wissen.
 
12. Gibt es Meinungsverschiedenheiten, dann drücke dich energisch aus, sodaß deine Ansicht zur Geltung kommt, eventuell mit der furchtbaren Drohung, daß du ansonsten den Dreck hinwirfst. Das macht Eindruck und verschüchtert die Anderen. Bedenke niemals, daß du ein Teil des Ganzen bist.
 
13. Wird beim Aufzug ein Marsch angesagt, dann funke eiligst mit der Ansage eines anderen Marsches dazwischen. Wenn dann 20 Mann mit 5 verschiedenen Märschen einsetzen, so ergibt dies einen unerhörten Effekt und hebt das Ansehen des Vereins.
 
14. Lasse dich niemals dazu verleiten, zu einem Konzert dein Instrument zu putzen, die Reflexe der Bühnenbeleuchtungen könnten das Publikum blenden. Der Zuhörer ist dir bestimmt dankbar für diese Aufmerksamkeit.
 
15. Wird ein klassisches Musikstück gespielt, dann versuche bei günstigen Stellen zu jazzen, das verschönt ungemein und es ist hoch an der Zeit, daß dieser alte Kram modernisiert wird. Ein Haydn, Beethoven oder Mozart benötigen dringend deiner Verbesserungen. Das Publikum wird beglückt sein von deinem hinreißenden Talent.
 
16. Sollte bei einem Konzert einem Kollegen ein Fehler unterlaufen, dann grinse schadenfroh, denn dir kann so etwas in deiner Unfehlbarkeit niemals passieren und das Publikum wird überzeugt sein, daß du auch etwas davon verstehst. Falls es dem Dirigenten gelingt, den Taktstock nach dem Täter zu werfen, dann wird sich das Publikum durch diesen elementaren Energieausbruch zu spontanem Beifall hinreißen lassen. Nach Beendigung des Stückes beginne eine lebhafte Debatte, denn so etwas muss besprochen werden. Sollte einem Zuhörer der Fehler entgangen sein, so erfährt er es dadurch noch nachträglich -- er hat ein Recht darauf.
 
17. In einer Konzertpause rauche hinter der Bühne möglichst reichlich, denn erstens wurden die Feuerschutzmaßnahmen (die du selbstverständlich als lächerlich abtust) für die Anderen, aber nicht für dich geschaffen und zweitens wird eine ungeheure Wirkung damit erzielt, denn wenn sich dann der Vorhang wieder öffnet und die Rauchschwaden ziehen gespenstisch über die Bühne, kann sich der Zuhörer mit einiger Phantasie leicht in eine Götterdämmerung oder Walküre versetzen. Er wird sich dem Raucher für diese unverhoffte Überraschung zu innigem Dank verpflichtet fühlen.
 
18. Nach Beendigung der Probe eile sofort nachhause. Kameradschaft oder Geselligkeit überlasse den Anderen. Solche Tugenden sind gegen die Vereinsbestimmungen.
 
19. Befolge diese Ratschläge und du bist stets und überall ein gern gesehener Musikkollege.
 
20. Selbstverständlich sind alle diese Eigenschaften frei erfunden und es gibt natürlich keinen einzigen Musiker, auf den nur eine dieser Verhaltensweisen zutreffen würde.